Situation-Ship: Auch nur eine Quest

„And the Band playes on

Es gibt einen alten Spruch: Reisende muss man ziehen lassen. Und diese Geschichte erzählt von einem Reisenden, dessen Reisebeginn jeh unterbrochen worden war.

Es gibt da ein Tor, das hinaus in die weite Welt führt und durch das jeder Reisende treten muss. Vor diesem Tor war eine Hürde, ein tiefes Loch im Boden. In dem Loch saß ein junger Mann, nennen wir ihn Herr Innerhalb, und der konnte nicht aus diesem Loch heraus.

Das sah ein anderer, der Herr Außerhalb. Der Herr Innerhalb sagte dem Herrn Außerhalb: „I am lost.“ Da begann der Herr Außerhalb, Samenkörner und Styroporkugeln in das Loch zu werfen, immer und immer wieder, einfach um ihn nicht mit Steinen oder Hölzern zu verletzen. Doch das Loch war zu tief, der Herr Innerhalb rührte sich anfangs kaum.

Herr Außerhalb ließ nicht locker und warf weitere Samen und Kügelchen hinunter, was nach und nach dazu führte, dass der im Loch nicht mehr so tief saß, sondern schon etwas höher auf einem Bett von rettenden Stryoporkugeln war. Jeder Fortschritt führte aber auch dazu, dass einige der Kugeln zerquetscht wurden und Herr Innerhalb wieder tiefer sank, weil das dem Leben, den Samenkörnern und den Styroporkugeln leider zu eigen ist. Sie machten sich deshalb Versprechen: „Ich werde Dich aus diesem Lochen bekommen.“ Dann „Ich werde Dich aus dem Loch bekommen, aber Du musst mir versprechen, selbst mitzuhelfen.“ Dann „Ich werde Dich nicht alleine lassen, bis Du herausgekommen bist.“ und auch „Wenn du erst einmal wieder heraussen bist, lass uns zusammen weiterspazieren, unterwegs treffen wir sicher viele Reisende und das gemeinsame Reisen wird schön werden.“ So schlug es der Herr Außerhalb vor. Herr Innerhalb gab zu verstehen, auch sehr gerne aus dem Loch zu sein, fing aber aus irgend einem Grund nicht zu klettern an. Herr Außerhalb verstand das eine als eine Zustimmung zur gemeinsamen Weiterreise, deshalb warf er noch schneller noch mehr Kügelchen hinein, denn er freute sich darauf, wenn diese Hürde bald überwunden sei. Das andere übersah er, weil er es übersehen musste. Darüber dachte er erst viel später sehr lange nach.

Das ging so ein paar Jahre und dann, irgendwann vor ein paar Monaten, konnte der Herr Außerhalb den Rand des Loches selbst fassen, stand von alleine auf und ging seinen ursprünglichen Weg weiter.  Weitere Kugeln zu werfen, hätte ihn am Klettern gehindert.

Natürlich ging er davon, es hätte ja auch keinen Sinn gehabt, die Kugeln in das Loch zu werfen, wenn er dann beim Loch stehen bliebe. Da hätte er ja auch gleich darin sitzen bleiben können.  🙂 Aber dass er den Herrn Außerhalb auf den Weg nun nicht mitnahm, ihm nichts erzählte, sondern einfach stehen ließ, kommt uns allen etwas eigenartig vor. Noch rief Herr Außerhalb dem Herrn Innerhalb nach: „Schick mir doch ein Foto von dort, wo Du jetzt hingehst.“ Es kam kein Foto. Nicht eines. Nicht einmal aus Amsterdam.

Es machte Herrn Außerhhalb traurig, dass der Entkletterte nun davongegangen war. Im Laufe der Jahre und im Werfen der Kugeln hatten sie viel gesprochen und Herr Außerhalb hatte das als Friendship verstanden, schon alleine, weil der gute Herr Innerhalb das eine oder andere Samenkorn keck zurückgeworfen und dabei gelacht hatte. In Herrn Außerhalbs Haaren, auf seinem Kopf, wuchsen Pflanzen, die sonst nie gewachsen wären. Das war fein.

Dabei wurde aber etwas Fundamentales verwechselt. Es war lediglich eine Quest, eine Aufgabe und sobald die erfüllt ist, ist sie naturgemäß erledigt und beendet. Es war eine Situationship, nicht eine Friendship. Und wie eine erledigte Quest in einem guten Game, hinterließ das eine schier unerträgliche Leere in dem, der sich so bemüht hatte, den Herrn Innerhalb aus seinem Loch zu bekommen.

Die Erkenntnis traf Herrn Außerhalb hart. Was also tun? Er hätte sowas mit Herrn Innerhalb im Loch wohl besprochen, aber der war ja nun weg und für Gespräche nicht mehr zu haben. Dessen Name war nun nicht mehr Herr Innerhalb, sondern Herr Reisender. Herr Außerhalb war über die Maßen traurig darüber, dass sie nicht zusammen Reisende blieben, sondern Herr Reisender seine Reise mit jemand anderen fortsetzte, auch wenn man Reisen zu dritt, viert, fünft machen könnte. Nun dachte Herr Außerhalb stark darüber nach, wieso er sich so geirrt hatte. Er war wohl nie als Mitreisender gesehen worden, sondern als Helfer in der Not am Rande des Lochs. Nicht mehr. Nicht weniger.

Sollte Herr Außerhalb also jetzt selbst in das Loch springen und warten, bis jemand Styroporkugeln zu ihm wirft? Das kann nicht erhofft werden. Es wurde ihm da klar, dass er nun selbst bereits in dem Loch saß, selbst lost gegangen war und man ihn Herr Innerhalb nennen sollte.

Da waren aber die vielen Kugeln und er konnte mit etwas Mühe selbst aus dem Loch entkommen. Die Leere, die er in sich verspürte, galt es nun in eine Lehre umzuwandeln. Die neue Quest ist, die Styroporkugeln einzusammeln, ordnungsgemäß zu entsorgen, die Zeit ordnungsgemäß einzuordnen, als das, was sie war und den eigenen Weg weiter zu gehen. Um Löcher macht er jetzt einen Umweg. Es sind die fruchtbaren Hügel, die es zu finden gilt. Dort muss er die Pflanzen hinbringen, die über diese Zeit aus ihm gewachsen sind.

EPILOG

Der Reiseweg ist voller Löcher, aus denen zu entkommen es Menschen braucht, die hineinsehen und dann nicht einfach weiter gehen. Die nennt der eine Freunde. Der andere nennt sie einfach nur Behilfliche.