(geschrieben Sommer 2004)
Jede gute Geschichte beginnt mit den Worten: es war einmal. Nur diese nicht, denn es war nicht nur einmal, sondern es ist auch gerade und es wird immer wieder sein.
Es ist ausserdem kalt. Das Meer erstarrte zu großen Eisbrocken, auf denen zu Haufe Pinguine hocken. Nicht einer oder zwei, das auch. Aber generell eher 20, 50 oder 100 Pinguine, Flügel an Flügel. Sie sitzen, stehen und watscheln nebeneinander her und wer sie nicht besser kennt, meint, sie wären alle gleich.
Da sie einander selbst kaum kennen, meinen sie auch von sich, alle wären gleich. Und so machen sie sich kaum die Mühe einander kennen zu lernen. Wärmen genügt, simples Sein. Und so kennen sie einander kaum obwohl sie alle von einander abhängig sind.
Manchmal geht es aber auch ganz anders.
Pingu, ein fröherliche Pinguin, kam eines Tages neben einem anderen Pinguin namens Pongu zu stehen und sie kamen ins Gespräch. Die Sonne schien hell aber kraftlos und es war bitter kalt. Rituell schmiegten sie sich aneinander, was nichts zu bedeuten hatte, aber wichtig für ihr Überleben war. Und sie erzählten sich ein wenig, wo sie her kämen und wo sie hin wollten. Pingu nannte seinen neuen Freund bald Pongu und sie fanden einander sympathisch. Pongu mochte Pingus lustige Geschichten und deshalb beschlossen sie, ab sofort nebeneinander zu bleiben und einander aufzuwärmen. Weil das Reden eben so schön war.
Aber eines Tages, als das Gedränge wieder furchtbar groß war, verloren sie sich aus den Augen und trafen erst Tage später wieder zusammen.
„Du hättest nach mir suchen können.“, sagte Pongu.
„Hier sehen aber alle so gleich aus.“, antwortete Pingu.
„Trotzdem oder auch deshalb!“, sagte Pongu.
„Bist du mir böse?“, fragte Pingu den Pongu. Dieser überlegte und antwortete schließlich: „Ja, ich bin böse. Aber ich bin dir nicht mehr böse, wenn du ab jetzt immer meinen Flügel hältst.“ Pingu nahm deshalb Pongus Flügel und hielt ihn. Nebeneinander blieben sie stehen, redeten und wärmten einander.
Alle Pinguine gingen immer wieder ans Wasser schwimmen. Unsere beiden Pinguine konnte hier nicht mehr mitmachen, denn Pingu musste ja Pongus Flügel halten und das war im Wasser nicht wirklich möglich. Doch schon, dachte sich Pingu, aber dazu müsste er zumindest kurz Pongu loslassen. Und das getraute er sich nicht.
Deshalb wollte er Pongu fragen, ob er ins Wasser dürfe. Pongu aber sagte: „Wenn du bei mir bleiben willst, musst du immer meinen Flügel halten. Und wenn ich zu meinen Freunden gehe, musst du mitkommen und meinen Flügel halten.“
„Und wenn ich zu meinen Freunden gehe und sie zu unseren Freunden mache?“, wollte Pingu fragen, aber er fragte leider nicht, denn die neue Bedingung hatte ihn eingeschüchtert.
Die anderen Pinguine hatten derweil Spaß im Wasser. Sie schüttelten nur ihre Köpfe ob des seltsamen Verhaltens ihrer früheren Freunde, die nun nicht mehr mit ihnen sprachen, denn Pingu und Pongu blieben auf der Scholle ganz allein sitzen und schienen einander zu genügen.
Sie riefen den beiden zu, sie sollen doch zum Wettschwimmen mitkommen, aber die beiden lehnten ab.
Sie riefen ihnen zu, dass sie doch mitkommen und bis zum Meersgrund abtauchen sollten, aber die beiden lehnten ab.
Sie riefen ihnen zu, dass sie doch an der Jagd nach vielen schmackhaften Fischen mitmachen sollten, aber die beiden lehnten ab.
Immer weiter entfernten sich die anderen schwimmenden Pinguine und es wurde ganz ruhig um Pingu und Pongu auf der Eisscholle, die im Meer trieb.
Zwei Monate standen die beiden nebeneinander und wärmten sich. Beide wurden immer stiller, denn es gab nichts mehr, was sie einander erzählen konnten. Pingu dachte angestrengt nach, aber er hatte schon alles erzählt, was er wusste. Und er wollte gerne mehr wissen um Pongu davon erzählen zu können. Denn das war ja seine Stärke!
„Ich würde gerne zu den anderen Pinguinen gehen.“, sagte er deshalb zu Pongu.
„Aber warum, du hast doch mich. Reiche ich dir nicht? Wärme ich nicht genug?“, fragte Pongu.
„Ich möchte dir eine Geschichte mitbringen. Wir haben schon lange nicht mehr miteinander gesprochen, lieber Ponguin“.
„Das brauchst du nicht. Wärme mich einfach.“, antwortete Pongu und ließ Pingu weiterhin nicht fort.
Lange ging das nicht mehr gut. Pingu hatte nichts mehr zu sagen und was noch weit schlimmer war, er hatte nichts mehr worüber er nachdenken konnte, ausser über die Situation, in der er steckte, da er unbedingt zu den anderen Pinguinen wollte. Aber da sein Freund das nicht wollte, konnte er nicht gehen. Er dachte nach und dachte nach und wusste immer mehr, dass er einmal weggehen musste, um mit einer neuen Geschichte zurückkehren zu können. Damit es wieder warm in ihren Herzen würde. Seine linke Schulter fühlte sich schon ganz kalt an, weil rundherum niemand war, der sie von dieser Seite her wärmte. Alleine standen sie da und es war Nacht, als er eine Idee hatte.
Neben ihnen, zehn Schritte entfernt, war ein grosser Eisfelsen. Er wollte sich diesem nähern und dann Pongu daran anlehnen, während der schlief. Dann, so war sein Plan, würde er zur anderen Eisscholle und den anderen Pinguinen schwimmen, einige Geschichten holen und zurückkehren.
So tat er es auch. Pingu ging Schritt für Schritt Richtung Eisfelsen, der hinten ihnen stand. Jede Stunde ein kleiner Schritt, damit Pongu nichts merken würde. Seinen Freund schob er dabei sachte mit sich mit. Dann lehnter er ihn gegen den Eisfelsen und schwamm zu den anderen Pinguinen.
Dort war es lustig und schön und er brachte viele Geschichten mit, als er zurückkam. Vorsichtig stellte er sich neben seinen Freund und wärmte ihn wieder. Doch der machte die Augen auf!
„Wo warst du?“, fragte Pongu.
„Ich? Ich war hier …“, stammelte Pingu verlegen, noch ehe er eine seiner neuen Geschichten erzählen konnte.
„Das warst du nicht. Ich weiß es. Geh weg, ich will nie mehr neben dir stehen, denn du hast Dein Versprechen gebrochen!“, rief Pongu.
Pingu war traurig und wollte bei Ponguin bleiben.
„Was muss ich tun, damit ich bei dir bleiben darf?“, fragte er deshalb.
„Nimm mich auf deinen Rücken! Nur wenn du mich auf deinem Rücken trägst, darfst du bei mir bleiben.“, sagte Pongu.
Die anderen Pinguine am Rande der gegenüberliegenden Eisscholle schüttelten nur ihre Köpfe, als sie sahen, wie Pingu den Pongu auf seine Schulter nahm. Und sie staunten nicht schlecht, wie lange Pingu so stehen blieb. Tage wie Nächte. Der hatte bald alle Geschichten erzählt, die er mitgebrachte hatte und wollte Pongu absetzen, aber Pongu erneuerte seine harte Bedingung: er wollte getragen werden und sie sollten für sich alleine bleiben.
Immer kälter wurde es dem Pingu und sein Pongu wurde immer schwerer und schwerer. Als Pingu die schwere Last nicht mehr tragen konnte, wollte er ein ernstes Wort mit seinem Freund sprechen, denn er hatte von den Bedingungen genug. Er fühlte, dass sie verloren sein würden, wenn sie nicht bald wieder nebeneinandere und mit den anderen Pinguinen miteinander stehen würden. Doch Pongu wollte von seiner Bedingung nicht abrücken und blieb auf Pingu sitzen. Pongu besetzte Pingu und hielt ihn von alten Freunden fern.
Tage vergingen und irgendwann erkannte auch Pongu, dass seine Regel nicht besonders klug war. Er gestand sich ein, dass er die Regel nur aufstellte, damit Pingu nicht die schönen Geschichten auch anderen Pinguinen erzählen oder von anderen gewärmt werden konnte. Er gestand sich auch ein, Pingu ganz für sich gewollt zu haben. Nun hatte er zwar alles im Griff und seinen Freund bei sich, aber der sprach kaum noch mit ihm und es wurde ihm fad. Genauer gesagt sprach Pingu gar nicht mehr. Also kletterte Pongu von Pingu herunter, um ihm vorzuschlagen, alles etwas anders zu machen und zu den anderen Pinguinen zurückzukehren.
Doch Pingu stand einfach nur da und rührte sich nicht mehr. Er war schon längst erfroren.
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EPILOG (nur für den Fall, dass sich diese Erzählung nicht erschließt)
Pongu kehrte zu den anderen Pinguinen zurück. Als er sagte, dass er Pongu sei, der mit Pingu so eng war und um ihn trauere, konnten sie nichts damit anfangen, denn sie hatten Pingu längst aus ihren Herzen gelassen, weil der sie ja verlassen hatte. Nur eine alte Pinguindame, die sich noch an den fröhlichen Pingu erinnern konnte, sagte zu ihren Kindern: „Schaut, das ist der Entführer, der Pingu von uns weg, hinein in sein Verderben führte.“